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Pompeii (Pompeji in Italien)

Die Verwaltung

Über die älteste Verwaltung Pompejis ist nichts bekannt und auch aus der samnitischen Periode ist man nur mangelhaft informiert. Man kennt bestenfalls die bruchstückhaften Namen einiger Magistrate. Jedenfalls war die wichtigste Position in der Stadt jenes des meddix tuticus, die in etwa mit einem stadtrömischen Consul verglichen werden kann. Die Finanzverwaltung war Quaestoren zueigen und Aedilen kümmerten sich um das Bauwesen. All diese Ämter waren wohl nur einer „senatorischen“ Oberschicht zugänglich. Als Pompeji unter römische Oberhoheit gelangte, dürfte sich somit kaum etwas in Stadtpolitik und Verwaltung geändert haben.

Der römische Sieg im Bundesgenossenkrieg führte interessanterweise zu keinen archäologisch erschliessbaren negativen Auswirkungen (z.B. Schleifung von Mauern o.ä). Der Grund ist mit Sicherheit in der Abwesenheit Sullas zu suchen. Während er in Kleinasien kämpfte, hatte in Italien sein Gegner Cinna das Sagen und dieser stand der Bürgerrechtsverleihung wohlwollend gegenüber.

In der Verwaltungsstruktur kam es in diesen Jahren hingegen zu weitreichenden Änderungen. Zunächst scheint ein Interrex (Zwischenkönig) das Amt des meddix tuticus abgelöst zu haben. Ebenfalls als Übergangslösung erscheint ein Viermännerkollegium, das aus zwei duumviri iure dicando (Beamte mit Gerichtsbarkeit) und zwei Ädilen bestand.

Die Verwaltung der vici (Stadtviertel) oblag den magistri vicorum (Bezirksvorsteher) und jene des Umlandes den magistri pagorum (Dorfvorsteher). Obwohl direkt den städtischen Magistraten unterstellt, hatten sie in ihrer Ausübung einigermassen grosse Freiheiten. Für diese Ämter nutzte man meist reiche Freigelassene, die durch ihr Privatvermögen die Stadtkasse bei öffentlichen Bauten entlasten konnten.

Die 80 v.Chr. errichtete Veteranenkolonie vor den Toren der Stadt wurde von einem deductor ("Begleiter") verwaltet, deren erster Publius Cornelius Sulla - ein Neffe des Dictators - war. Die folgenden sozio-politischen Veränderungen wurden - nicht wie von vielen erwartet worden war - gewaltsam, sondern mit äusserstem Fingerspitzengefühl umgesetzt.

Cornelius Sulla bildete nun erstmals einen offiziellen ordo decurionum (lokaler Senat), aus dem die ersten neuen Magistrate gewählt wurden. Die alten lokalen Familien wurden zwar zunächst aus ihren Ämtern gedrängt, doch versuchte man sie mit den Neuankömmlingen (meist höhere Chargen aus Sullas Feldzügen; bekanntestes Beispiel: Caius Quinctius Valgus) zu verschmelzen. Inwiefern das gelang kann nicht gesagt werden. Jedenfalls eroberten die alten Familien bis zu Caesars Herrschaft ihre Positionen wieder zurück.

Durch die Veteranenkolonie machte man in Pompeji durchaus positive Bekanntschaft mit den Gepflogenheiten römischer Stadtverwaltung und übernahm mit der Zeit vieles davon. Alle fünf Jahre ergänzte man nun die 80 bis 100 Personen, welche als decuriones (Stadträte) fungierten. Diese Aufgabe lag bei den beiden höchsten Amtsträgern der Stadt, den duumviri iure dicundo (Zweimännerkollegium mit Gerichtsbarkeit), die man dann ehrenvoll als duumviri quinquennales (fünfjähriges Zweimännerkollegium) bezeichnete.

Das passive Wahlrecht für einen Stadtratsposten besassen freie pompejianische Männer, die einen ehrbaren Beruf ausübten, über einen guten Leumund verfügten und über ein jährliches Einkommen von wenigstens 100.000 Sesterzen verfügten. Ab und zu gewährte man auch den Söhnen von Freigelassenen oder zugezogenen Kaufleuten dieses Privileg, wenn sie die anderen drei Bedingungen erfüllten.

Den Decurionen billigte man nicht nur die toga praetexta (Toga mit Purpurstreifen) zu, sie erhielten bei öffentlichen Veranstaltungen (z.B. im Amphitheater) die besten Plätze. Ihre Aufgabe waren vielschichtig und um eine Diktatur zu vermeiden, kontrollierten sie die Beamten der Stadt. Zwei gängige Schlussformeln bei Rechtsakten der Magistrate lauteten: ex decurionum decreto oder ex decurionum sententia (auf Beschluss des Stadtrates).

Im März eines jeden Jahres fanden sich alle Vollbürger Pompejis in den comitia (Wahllokalen) ein, um die Magistrate zu wählen; allen voran die beiden duumviri und die aediles. Diese nahmen dann mit 1. Juli ihre einjährige Arbeit auf. Da die Tätigkeit eines Ädilen sehr zeitaufwändig war, scheuten viele dieses Amt, sodass fast ausschliesslich junge Menschen gewählt wurden. Sie konnten auf diese Art und Weise politische Erfahrungen in der Praxis sammeln, ohne wirklich grossen „Schaden“ anzurichten. Wie in Rom waren sie für Überwachung der Märkte, das Bauwesen, die Tempel und Freizeiteinrichtungen zuständig.

Um Duumvir zu werden, musste man zuvor als Ädil gedient und sich bei der Bevölkerung beliebt gemacht haben. Ebenfalls wie im republikanischen Rom bot das Amt dazu ausreichend Möglichkeiten sich freigiebig zu präsentieren. Ausserdem hatte man zwischen den beiden Ämtern eine Pause von drei bis fünf Jahren einzulegen.

Die Duumviri verkündeten die Beschlüsse des Stadtrates und trugen ihm die Anträge der Bevölkerung vor. Sollte es zu keiner Nachwahl im Stadtrat kommen, so beauftragte man einen praefectus iure dicundo ex decurionum decreto lege Petronia mit dieser Aufgabe. Die Wahl erfolgte dann auf Basis des lex Petronia genannten Gesetzes unter Aufsicht eben dieses Präfekten mit Gerichtsbarkeit..

Während der grossen politischen Krise unter Caligula und vor allem Claudius sind für Pompeji keine Magistratsämter bezeugt. Inwiefern dies mit einer möglichen Restauration alter Verwaltungsformen der Samniten stand, ist nicht zu klären. Einige Forscher nehmen aufgrund von Inschriften aus der claudischen Zeit in der Stadt Nuceria an, dass der Kaiser alte Bündnisse wieder aufleben lassen wollte. Demzufolge hätte ein praetor (Rechtsverwalter) oder ein tribunus plebis (Volkstribun) die Macht innegehabt. Aber dies ist reine Spekulation.

Nach der Wiederherstellung von Recht und Ordnung ging das politische Leben zunächst nur zögerlich vonstatten. Die Erdbebenkatastrophe von 62 n.Chr. bedeutete einen weiteren verwaltungstechnischen Einschnitt. Nachdem der Wiederaufbau in Gang gekommen war, stritt man sich um städtisches Land, das von Privatpersonen in Beschlag genommen worden war. Kaiser Vespasian musste seinen Tribunen Titus Suedius Clemens nach Pompeji entsenden um den Kataster ordnungsgemäss wiederherzustellen und die Rechte der Stadt durchzusetzen.

Dies war der Stand vor dem Ausbruch des Vesuvs. Mit der Stadt ging natürlich auch ihre Verwaltung unter. Die vom Kaiser initiierten Hilfsmassnahmen liefen denn auch rasch in die Bewältigung der zahlreichen Erbfälle hinaus, ehe das lebendige Pompeji vollends aus der Geschichte verschwand.

Während der Regentschaft von Nero ereignete sich in Pompeji eine grosse Erdbebenkatastrophe.


Quellen: Coarelli, La Roca, De Vos "Pompeji", J.-A.Dickmann "Pompeji", H.Pleticha & O.Schönberger "Die Römer", N.Harris & P.Dennis "Feuerregen auf Pompeji", "Der kleine Pauly" sowie das Computerspiel "Pompei - The Legend of Vesuvius"

 

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(PL)