Version LX

SPRACHE
Kurzschrift in der Antike


Imperialer Adler GRIECHENLAND
Imperialer Adler TIRONISCHE NOTEN
Imperialer Adler WEITERENTWICKLUNG

zurück zur
Kurzschriftübersicht

zurück zum
Sprachindex

zurück zum Index

Die Tironischen Noten

Auf dem Weg zur Schnellschrift

Die Erfindung einer echten Kurzschrift verdanken wir von der Person her Tiro, dem Privatsekretär Ciceros. Es muss jedoch unbedingt erwähnt werden, dass ohne die politisch regen Zeiten des 1.Jh.v.Chr. vermutlich kein ausreichender Bedarf für ihre Umsetzung bestanden hätte. Erst die politisch-rhetorischen Auseinandersetzungen in der ausgehenden Republik machten das Fehlen einer brauchbaren tachygraphischen (=schnellen) Notizform deutlich. Erst mit ihr konnten Reden in der gleichen Geschwindigkeit niedergeschrieben und das gesagte Wort zu beliebig späterem Zeitpunkt exakt und nicht nur grob vom Inhalt her wiedergegeben werden.

Die Feuertaufe bestand die neue Schrift am 5. Dezember 63 v.Chr. im Senat bei der berühmten Rede Catos gegen Catilina mit derartiger Bravour, dass nicht wenige es sofort erlernen wollten. Die Verwendung rhetorischer Kunst erleichterte das Mitschreiben sicher, denn der Feind des Stenografen ist bekanntlich der schlampige Schnellsprecher. Gerne machten die antiken Politiker beim Reden ihre Runden im Senat, sodass die Stenografen an mehreren akustisch gut ausgebauten Stellen in der Curia standen und sich beim Schreiben so abwechseln konnten.

Marcus Tullius Tiro - so der Name nach seiner Freilassung aus dem Sklavenstand - konstruierte mit den praepositiones (hier: Vorzugszeichen, d.h. Wortteil vor den Flexionsendungen) ein System von fixen, nicht deklinier- und konjugierbaren Worten und Vorsilben auf Basis der bereits bekannten Kürzungen. Als Neuerung brachte er die Kombination von Zeichen, die Weglassung des Abkürzungspunktes und dessen Bedeutungsänderung in einem einigermassen leicht zu durchschauendem Regelwerk ein, das die Konstruktion von abertausenden Zeichen ermöglichte. Dabei nahm er einige wenige Aspekte der modernen Stenografie vorweg, doch vom allgemeinen Charakter her unterscheiden sich die Tironischen Noten deutlich von der heute verwendeten Kurzschrift. Im folgenden eine Übersicht der grundlegenden Gedanken Tiros zur Erweiterung des Zeichenvorrats:

1. unterschiedliche Schriftarten
Dadurch konnten einem Buchstaben mehrere eindeutig identifizierbare Abkürzungen zugeteilt werden. In Verwendung standen damals die klassichen Majuskeln wie sie sich in Inschriften finden, die römische Buchschrift sowie die kursive Schreibschrift aus der Korrespondenz. Dazu gesellten sich als viertes Unterscheidungsmerkmal noch die griechischen Buchstaben. 

2. Buchstabenteile
Um eine weitere Unterteilung zu erreichen brach Tiro Teile aus Buchstaben heraus und verselbständigte sie zu eigenen Zeichen, z.B. ein A ohne Querstrich.

3. Verschmelzung von Buchstaben
Zwei Buchstaben in bestimmter Position aneinandergefügt ergaben ebenfalls ein neues Zeichen; vgl. das später aufgekommene Æ

4. Lageänderung von Buchstaben
Egal ob auf dem Kopf, quer, spiegelverkehrt oder schräg ergaben sich aus bekannten Buchstaben wiederum neue Abkürzungen.

5. Der springende Punkt
Ursprünglich zeigte ein Punkt hinter einem Buchstaben an, dass es sich um eine Abkürzung und kein Einbuchstabenwort handelte (vgl. die lateinischen Präpositionen a und e). Tiro beseitigte diese Funktion und wies dem Punkt neue Bedeutungen zu. Je nachdem wo er sich nun bei einem Zeichen befand - ob links unten, rechts oben, in doppelter Ausführung etc. - stand nun der ursprüngliche Buchstabe für eine neue Kürzung.

6. Durchkreuzung
Als bereits bekannte Idee nutzte Tiro mit der Durchkreuzung von seinen Zeichen noch die Sitte aus dem Bereich der römischen Zahlen, wo aus einem durchstrichenen I = 1 bekanntlich ein X = 10 und damit ein neues (Zahl)zeichen wird.

7. Fettschrift
Wie auch in der modernen Stenografie bezeichnet die verstärkte Schreibung eines Zeichens eine andere Bedeutung und Tiro verfuhr ebenso. Der Grund für die Entdeckung dieser Unterscheidung liegt mit Sicherheit in der Verwendung von Wachstafeln als Notizblöcke, wo mit dem Griffel rasch mal tiefer, mal weniger tief in das Wachs geritzt werden konnte. Auf Papyrus war dies mit den damaligen Mitteln nicht so schnell zu bewerkstelligen.

Mit all diesen Unterscheidungsmerkmalen gelang es Tiro etwa 4000 Zeichen zu konstruieren und ihren eine Bedeutung zu geben. Infolge der grossen Nachfrage liess Cicero später ein Werk darüber herausgeben, das nach einer Überarbeitung durch die Stenografieschüler Vipsanius Filagrius und Aquila bereits 5000 Zeichen enthielt.

servus = Sklave

 noster = unser

igitur = daher, also

Aus dem Mittelalter überlieferte Tironische Noten


Quellen (Bücher): J.-C.Fredouille "Lexikon der römischen Welt"; Bertelsmann "Modernes Lexikon" (aus den 70ern); "Der kleine Pauly"
Quellen (Internet): www.phil.uni-passau.de; www.steno.ch; www.typolexikon.de 

 

Sie wollen Fragen stellen, Anregungen liefern oder sich beschweren?
Dann klicken Sie auf meine Kontaktseite!

(PL)