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Medizin


ITALIEN 1.Jh.n.Chr
ANTONIN. "PEST"
CYPRIAN. "PEST"

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Die Cyprianische "Pest"

Die zahlreichen lokalen Seuchen des 3.Jh.n.Chr.

Das krisengeschüttelte 3.Jh.n.Chr. wird neben der äusseren militärischen Bedrohung und dem wirtschaftlichen Niedergang auch mit zahlreichen Seuchenfällen in Zusammenhang gebracht. Dabei ist die Quellenlage hierzu äusserst dürftig. Die besten Befunde gibt wie üblich aus Ägypten, wo sich zahlreiche Papyri im Wüstensand erhalten haben. Die überlieferten Berichte sind jedoch sehr vage und bei vielen Nachrichten ist es nicht entscheidbar, ob überhaupt eine Massenerkrankung vorgelegen hat. Auch archäologische Befunde wie Friedhöfe lassen keine Schlüsse in wünschenswerter Qualität zu, sodass sich die Historie allenfalls auf die literarischen Quellen stützen muss.

232 n.Chr. haderten die Römer unter Severus Alexander mit den Persern und während dieses Feldzuges dürfte sich unter den Soldaten eine Seuche ausgebreitet haben. Das dezimierte Heer zog sich nach Antiochia zurück und genas. Auf dem Rückweg der Legionen wurde ein Teil der Armee in Dalmatien nochmals von Fieber befallen, doch breitete sich die Krankheit nicht weiter aus. Aus diesen spärlichen Berichten eine Diagnose zu stellen ist praktisch unmöglich. Dem Klima entsprechend könnte es eine Darmerkrankung infolge mangelnder Versorgung mit Lebensmitteln und vor allem Wasser gewesen sein; die Fieberschübe eine Spätfolge davon. Sechs Jahre später sollten die Belagerer von Aquileia unter dem Kommando von Maximinus Thrax von der gleichen Erkrankung betroffen sein, was zum Abbruch der Belagerung führte.

Die zahlreichen militärischen Operationen in jenen Tagen führten zu einem vermehrten Ansteigen von Krankheiten, die aus den bereits oben erwähnten Gründen ausbrachen. Zumeist handelte es sich um keine Epidemien im klassischen Sinn sondern waren lokal begrenzte Erkrankungen und meist auch nicht ansteckend. Zeitgenossen konnten jedoch einen anderen Eindruck gewinnen, wenn sie etwa den Heeren folgten und ähnliche Nachrichten auch von anderen Schauplätzen erhielten. Endemische Seuchen traten zu jeder Zeit der Antike auf, doch ist für die beginnende Spätantike auch ein Klimawandel zu berücksichtigen, der sich nicht nur negativ auf die Landwirtschaft, sondern auch ganz allgemein auf die menschliche Physis auswirkte.

Die Cyprianische "Pest"

Gesichert (immerhin 6 Berichte aus der Spätantike) ist eine grosse Epidemie während der Herrschaft des Decius. Die Seuche schien 250 n.Chr. in Äthiopien ausgebrochen zu sein um sogleich nilabwärts Richtung Ägypten vorzudringen. Im weiteren Verlauf durchseuchte sie ganz Nordafrika (vor 250 hatte es in Africa eine längere Dürreperiode samt der damit verbundenen Hungersnöte gegeben. Dementsprechend geschwächt waren die Menschen) und sollte von dort ausgehend das gesamte Römische Reich erfassen. 251 erlag ihr auch Hostilianus, der Sohn und designierte Nachfolger des Decius.

Kurz abgeklungen, ereignete sich ein weiterer Krankheitsschub kurz danach unter der Regierung des Trebonianus Gallus. In den nächsten Jahren und Jahrzehnten flackerte die Seuche immer wieder auf. 270 fiel ihr sogar der Kaiser Claudius II. zum Opfer.

Benannt wurde die Seuche nach jenem Mann, der 252 die ausführlichsten Schilderungen hinterliess: Bischof Cyprian von Carthago. Durch ihn sind die Symptome dieser Cyprianischen "Pest" einigermassen gut bekannt. Dauerdurchfall, innere Hitze (=Fieber), ulzeröse Angina, Erbrechen, Augenentzündung, manchmal Lähmungen, Taubheit, Blindheit & Gliedmassenfäule. Diese Angaben passen zu keiner heute bekannten Seuche und es ist zu vermuten, dass es sich entweder um eine in der Gesichte nur einmal aufgetretene Massenerkrankung oder um eine mittlerweile ausgestorbene Form einer bekannten Krankheit (z.B. der sehr wandlungsfähigen Pocken; vgl. hierzu die Antoninische "Pest") gehandelt hat; wobei letztere Option bevorzugt wird. Demnach wäre alles immer noch eine Folge des Partherfeldzuges des Lucius Verus gewesen.

Cyprian spricht von übermässigem Durst der Erkrankten (was bei den Symptomen nicht verwundert) und davon, dass man sich nicht nur durch Berührung, Kleidung sondern auch alleine durch den Blickkontakt anstecken könne. Der Bischof deutete die Seuche natürlich als schon vor langer Zeit prophezeit und als Menetekel des bevorstehenden Weltuntergangs.

Da Heiden und Christen gleichermassen (letztere sogar etwas mehr, da sie sich um ihre eigenen Glaubensanhänger kümmerten und dadurch eher von Ansteckung bedroht waren) betroffen waren mussten sich die Kirchenväter etwas einfallen lassen, um den bohrenden Fragen der Gläubigen Herr zu werden. Demzufolge wäre es für die Heiden eine Strafe, für die Christen eine Prüfung. Erstere würden vor das Gericht Gottes, die letzteren ins Paradies kommen. Auf der anderen Seite machten die Heiden nun die Christen dafür verantwortlich, da sie den alten Göttern nicht mehr den nötigen Respekt entgegen gebracht hatten. Vor allem aus diesem Grund wurde die erste der beiden Christenverfolgungen in der Antike auch tatsächlich durchgeführt.

Die Christen verurteilten vor allem das Im-Stich-lassen der Erkrankten, die Flucht der Angehörigen und den Umgang mit dem Eigentum der Toten. Viele dieser Massnahmen basierten allerdings auf dem medizinischen Wissen dieser Zeit (Verbrennen von verseuchter Kleidung, Kontaktabbruch zur Vermeidung einer Ansteckung, Cordon sanitaire, usw.). Da jedoch weder Organisationsgrad und Zeitumstände eine überregionale Seuchenbekämpfung erlaubten, kam es nicht zu den erhofften Erfolgen, was die Christen natürlich wiederum als Strafe Gottes an den Heiden auslegten.

Mangelnde Getreidequalität bot in der Antike ein grosses Potenzial für Massenerkrankungen


Quellen: K-H.Leven "Antike Medizin", M.Meier "Pest", "Der kleine Pauly"

 

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(PL)