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 KULTUR | ||
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 | Die Bibliothek von
          Alexandria Bibliothek und Forschungsinstitut Die wohl bekannteste Bibliothek der Antike, wenn nicht aller Zeiten, war jene von Alexandria in Ägypten. Berühmt war sie vor allem durch das Museion, einer Forschungseinrichtung für alle Wissenschaften. Alexandria
          wurde in der ersten Hälfte des 4.Jh.v.Chr. durch Alexander d.Gr. gegründet
          und der Architekt Deinokrates konnte die ganze Palette griechischer Städtebaukunst
          in die Planungen einfliessen lassen. Nach Alexanders frühem Tod ging
          Ägypten an seinen Feldherrn Ptolemaios I. Soter, der im Jahre 305
          v.Chr. den Königstitel annahm. Der neue König wollte aus der Stadt
          nicht nur ein Verwaltungs- und Wirtschaftszentrum sondern auch eine
          herausragende Stätte von Bildung und Kultur schaffen. Dieses
          Vorhaben mündete in den 80er Jahren des 3.Jh.v.Chr. (vermutlich 288
          v.Chr.) in die Gründung
          des Museion. Unter der Patronanz der Musen sollte es eine Heimat für
          Gelehrte aus aller Welt werden. Der König liess einen weitläufigen
          Gebäudekomplex mit allen notwendigen Einrichtungen errichten.
          Darunter befand sich auch eine Bibliothek, die die benötigten
          Schriftrollen aufnehmen konnte. Als grosse oder königliche Bibliothek
          bezeichnet wurde sie das Vorbild für alle ähnlichen Einrichtungen in
          der antiken Welt, obwohl keine andere Bildungsstätte ihr jemals das
          Wasser reichen konnte. Ptolemaios
          I. Soter legte grosse Sorgfalt auf die Auswahl des für den Betrieb
          notwendigen Personals. Für die Aufbauphase konnte er auf den, nach
          zehnjähriger Regierungszeit, aus Athen geflohenen Demetrios von
          Phaleron zurückgreifen. Dieser war nicht nur Politiker sondern auch
          Autor, Philosoph und ein vehementer Anhänger der Lehren des
          Aristoteles. So entstand das Museion unter massgeblicher Beeinflussung
          der platonischen Akademie und dem Lykeion des Aristoteles. Des
          Königs Sohn Ptolemaios II. Philadelphos übernahm die Leidenschaft für
          Kultur und Bildung. Hatte der Vater sich hauptsächlich mit der
          Geschichtsschreibung befasst, so galten die Interessen von Ptolemaios
          II. den Naturwissenschaften. In dieser Zeit entstanden deshalb
          botanische und zoologische Gärten. Die intensive Beschäftigung des Königs
          mit der Materie brachte der Bibliothek einen deutlichen Zugewinn an
          Schriften und Lehrmaterial. Der
          Drang zur Erwerbung von neuen Büchern war derart grenzenlos, dass man
          nicht davor zurückschreckte unsaubere Methoden anzuwenden. Ptolemaios
          III. Euergetes gelang es, die Repräsentanten von Athen davon zu überzeugen,
          ihm die Originalmanuskripte der drei Dichter der Tragik, Aeschylos,
          Euripides und Sophokles, auszuhändigen. Sie sollten nach Alexandria
          gebracht und dort kopiert werden. Anschliessend war geplant, sie
          wieder zurückzubringen. Als Sicherstellung wurden 15 Talente Silber
          (immerhin etwa 400 kg) den Athenern übergeben. Was zurückkam waren
          aber lediglich die Kopien. Die Originale wurden in die Bestände in
          Alexandria eingereiht. Diese von Galen überlieferte Geschichte wird
          zwar in ihrer Dimension nur ein Einzelfall gewesen sein, doch zeigt
          das Handeln der Ptolemaier, für wie wertvoll Originalschriften
          erachtet wurden. Die meisten Werke wurden aber redlich auf den damals
          grössten Buchhandelszentren Athen und Rhodos erworben. Die
          Erwerbungen erfolgten nicht planlos. Man berief ganze Projekte ins
          Leben. Eines war der Versuch, sämtliche Schriften des Aristoteles zu
          erwerben. Die Aktion schlug fehl. Man konnte zwar alle Rollen
          aufkaufen, die sich in der Bibliothek des Philosophen befunden hatten,
          doch hatte ein Privatsammler davon Wind bekommen und zuvor zahlreiche
          Original für sich selbst lukriert. Alexandria
          war die bedeutendste Hafenstadt Ägyptens und damit die Nabelschnur
          zur Welt. Folglich gelangten auch die meisten Bücher über den Seeweg
          ins Land. So verfiel man auf die Idee, sämtliche Schiffe nach ihrem
          Eintreffen nach Schriften zu durchsuchen. Eigene Kommissionen
          beurteilten das Gefundene und beschlagnahmten die literarischen Schätze.
          Diese wurden kopiert und die Kopien den Eigentümern zurückerstattet.
          Handelte es sich um Werke, die für besonders wertvoll erachtet wurden
          oder hatte man danach schon lange gesucht, so konnte der ursprüngliche
          Besitzer zudem mit einer finanziellen Entschädigung rechnen. Alle auf
          diese Art und Weise erworbenen Bücher wurden in einem sogenannten
          Schiffsfond zusammengefasst. Wenn
          man ein Werk im Bestand hatte und man erkannte eine davon abweichende
          Version, so wurde sie ebenfalls erworben. So konnten Fehler, die im
          Laufe der Zeit beim Kopieren aufgetreten waren, erkannt werden.
          Unterschiedliche Exemplare wurden mit einer Anmerkung über den Ort
          der Erwerbung versehen. Das
          allgemeine Ziel der Bibliothek war die Sammlung aller Bücher aus
          aller Welt. So wurden nicht nur die griechischen Autoren gesammelt.
          Werke inländischer und ausländischer Autoren wurden ins Griechische
          übersetzt. Als erstes begann man mit den Hieroglyphenschriften im
          eigenen Land. Das diente nicht nur dem Wissenstransfer, sondern sollte
          auch die Königsmacht stärken. Die Ptolemaier wollten als ausländische
          Griechen ihr Land durch und durch kennen lernen. So liess man Priester
          Berichte über ihre eigenen Archive schreiben. Einer von ihnen,
          Menathon, wurde damit beauftragt die Geschichte Ägyptens auf Basis
          der heiligen Register zu verfassen. Sehr
          schnell Aufnahme fanden Übersetzungen der heiligen jüdischen Texte
          (das alte Testament). Ptolemaios II. schickte eine Delegation nach
          Jerusalem und erbat sich Schriftgelehrte zur korrekten Übersetzung.
          Sie sollte von der Mitte des 3. bis Anfang des 2.Jh.v.Chr. dauern.
          Einige der auf uns gekommenen Bibeltexte basieren auf dieser Arbeit. Plinus
          berichtete über den breiten Raum, den auch orientalische Kulte,
          einnahmen. Hermippos, ein Schüler des Kallimachos, soll ein Buch über
          den Zoroastrismus verfasst haben, das mehr als zwei Millionen Zeilen
          umfasst hat. Eine solch umfangreiche Arbeit konnte jemand nur
          schreiben, wenn auch dementsprechende Basisliteratur griffbereit war.
          Die Eroberungen Alexanders hatten den griechischen Horizont bis nach
          Indien erweitert. Ptolemaios II. schickte Dionysios als Botschafter zu
          König Ashoka und erhielt durch ihn Werke der buddhistischen Religion. Das
          Sammeln von Büchern aus aller Herren Länder samt der Verfassung
          entsprechender Kommentare macht keinen Sinn, wenn die Bibliotheksbestände
          niemandem zugänglich gemacht werden. Dazu bedurfte es einer ausgeklügelten
          Organisation. In der Antike wurden Schriften zumeist ohne Titel oder
          Angabe des Verfassers gleich mit dem Text begonnen. Katalogisierung
          und Auffindbarkeit der Schriften waren Anforderungen die jede
          Bibliothek auf der Welt zu erfüllen hatte und immer noch hat. Die
          Alexandriner schufen hierfür ein einheitliches System. Zunächst
          wurde der Ursprungsort, d.h. die Stadt der Erwerbung der Schrift,
          vermerkt. Im Hafen requirierte Bücher erhielten die Bezeichnung
          „vom Schiff“. In weiterer Folge kam - insofern bekannt - der Name
          des früheren Eigentümers, dann der Name des Verfassers und der des
          Kommentators, Verlegers oder Korrektors. Ausserdem wurde die Schrift
          in die Kategorien amigeis (unvermischte Kategorien) und symmigeis
          (vermischte Fachgebiete) eingeteilt. Den Abschluss bildete die Angabe
          der Länge des Werkes in Zeilen. Dieses
          komplexe System legt nahe, dass zudem ein einheitlicher Index
          existiert haben muss. Daneben gab es mit den pinakes noch einen
          Sachregister. Dieser umfasste nach Kallimachos 120 Bände und teilte
          sich in zehn Kapitel: Rhetorik, Recht, Epik, Tragik, Lyrik,
          Geschichte, Medizin, Mathematik, Naturwissenschaften und Miscellanea
          (Zusammengemischtes). In jeder Kategorie dürften die Autoren in
          alphabetischer Reihenfolge aufgelistet worden sein. Es folgten jeweils
          eine Kurzbiografie, der Titel des Werkes und ein Kommentar dazu. Diese
          beiden Registrierungsmodell wurden bald Standard für alle weiteren
          Bibliotheken. In Summe dürfte die bibliotheca Alexandrina in
          ihrer Blütezeit mehr als 900.000 Schriftrollen besessen haben. Von
          der grossen Bibliothek ist leider nichts erhalten geblieben und so ist
          die Geschichtsschreibung auf die literarischen Überlieferungen
          angewiesen. Die räumliche Aufteilung der Gebäude ist unbekannt. Vor
          der Registrierung kamen die Werke in apothekae (Lagerräume). Hyperetae
          (Bibliotheksgehilfen) brachten sie anschliessend in die echte
          Bibliothek. Dieser Punkt wird beim angeblichen Brand der Bibliothek
          unter Kleopatra noch eine Rolle spielen. Eine
          derart organisierte Einrichtung benötigte eine Menge qualifiziertes
          Personal. Die Bibliothekare mussten Bücher sichteten, katalogisieren,
          einordnen und wiederfinden. Ein Heer von Schreibern kopierte die
          Texte. Dazu muss angemerkt werden, dass nicht nur neue Schriften
          kopiert wurden. Durch Lagerung und Gebrauch nutzten sich die papyrii
          rasch ab. Falls der Zustand eines Schriftstückes zu wünschen übrig
          liess, wurde umgehend eine Kopie angefertigt. Die
          Leitung dieser Einrichtung war im 2.Jh.v.Chr. sehr begehrt. Im
          Gegensatz zum Museion, das von einem Priester geführt wurde, konnte
          sich in der Bibliothek eine Person von wissenschaftlichem Rang
          austoben. Er wurde vom König ernannt und wirkte manchmal auch als
          Erzieher der ptolemaischen Prinzen. Eine einheitliche Bezeichnung für
          diese Stellung gab es nicht. Überliefert sind „Aufsicht über die
          Bibliothek“, „Oberhaupt“ oder „Vorsteher der Bibliothek“. In
          byzantinischer Zeit wurde auch Bibliophylax verwendet, was aber
          eher einen Archivverwalter charakterisierte. Die genaue Zuordnung der
          Titel lässt sich aus den alten Textfragmenten nicht erschliessen. Umso
          erfreulicher ist, dass die ersten sieben Leiter der Bibliothek überliefert
          worden sind: 
 Danach lassen sich die Leiter der Bibliothek nicht mehr ausmachen. Lediglich Onosander von Paphos ist in späterer Zeit gesichert. Nicht genannt in dieser Liste wurde Demetrios von Phaleron. Dies dürfte daran liegen, dass er die Einrichtung quasi als Projektleiter organisierte und so keinen entsprechenden Titel im wissenschaftlichen Betrieb hatte. Berühmt war auch Kallimachos von Kyrene, die intellektuelle Hauptfigur im Alexandria jener Zeit. Er hat die Einrichtung benutzt (Verfassung der pinakes), sie aber nie geleitet. Hingegen wurden einige seiner Schüler in diese Position berufen. Die
          Liste der Leiter legt beredetes Zeugnis über die Internationalität
          der Gelehrten ab, die am Museion und in der Bibliothek wirkten.
          Alexandria wirkte in der Antike wie ein Magnet auf alle
          Wissensdurstigen. Im Museion konnten die Gelehrten leben und ihre
          Mahlzeiten gemeinsam in einem grossen Speisesaal einnehmen. Um die
          Wissenschaften zu fördern waren sie auch vom ausgeklügelten ägyptischen
          Steuersystem befreit. Die Zahlreichen Einrichtungen (wohl vergleichbar
          mit einer modernen Campusuniversität) standen ihnen offen. Dies legt
          nahe, dass die Bibliothek nicht öffentlich zugänglich war. Ein
          Fremder wird eine Sondererlaubnis benötigt haben. Die einfachste
          Methode wird gewesen sein, sich an eines der Mitglieder zu wenden. Der
          Wissenschaftsbetrieb existierte nicht nur seiner selbst willen. Viele
          Entdeckungen wurden in den Peristylen und Exedren des Gebäudes
          gemacht. Die erste medizinische Obduktion soll hier von Herophilos von
          Chalkedon durchgeführt worden sein. Der Mechaniker Ktesibios erfand
          die Wasseruhr, Aristarchos von Samos erkannte das heliozentrische
          Weltbild und Hipparch katalogisierte die Sterne. Bekannte Grössen wie
          Archimedes von Syrakus und Euklid nutzen die anregende Atmosphäre für
          ihre Werke. Neben
          den Naturwissenschaften kamen auch Malerei, Philosophie und Literatur
          nicht zur kurz. Zenodotos von Ephesos war vermutlich der erste, der
          das Werk Homers in 24 Gesänge teilte und anschliessend auch aufgeführt
          hat. Aristophanes von Byzanz begründete die wissenschaftliche
          Lexikographie und führte das heute noch gültige Akzentsystem im
          Altgriechischen ein. Aristarch von Samothrake entwickelte seine
          ebenfalls immer noch gültige Grammatik. | 
 Ptolemaios I. Soter gründete die Bibliothek von Alexandria 
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| Quellen: W.Hoepfner "Antike Bibliotheken", L.Casson "Bibliotheken in der Antike", "Der kleine Pauly" | |||
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